12.2.2008 11:31
Anfang Februar war in allen deutschen Medien zu lesen, dass ein gewisser Herr Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg neuer deutscher Wirtschaftsminister geworden sei und die Nachfolge des zurückgetretenen Michael Glos angetreten hat. Schon vorgestern wurde bekannt, dass dabei die Berichterstattung nicht korrekt war: Auf dem BILDBlog berichtet ein anonymer Wikipedia-Benutzer, er habe den Vornamen „Wilhelm“ zum Scherz auf den Eintrag von von und zu Guttenberg gesetzt. Diese Information wurde dann in fast allen Zeitungen, Zeitschriften und online-Medien ungeprüft verbreitet.
Heute veröffentlichte der Pressesprecher der Bundesregierung Ulrich Wilhelm eine Mitteilung, die den Skandal um „Wilhelm“ noch als niedlich erscheinen lässt. Darin lässt er mitteilen, dass von und zu Guttenberg nicht Wirtschaftsminister ist oder werden soll. Auch diese Information wurde auf der deutschen Wikipedia erfunden und ungeprüft von den Medien übernommen.
Die Regierung lässt mitteilen, dass sie „in Zeiten der Finanz- und Wirtschaftskrise wichtigeres zu hätte, als nach einen Nachfolger für Glos zu suchen“ und „die letzten sechs Monate kamen wir ja auch ganz gut ohne einen arbeitenden Wirtschaftsminister aus“. Es sei noch nicht entschieden, ob das Wirtschaftsministerium neu besetzt werden soll, ob man es auflösen und auf Verkehrs- und Umweltministerium aufteilen soll, oder ob man es per Cross-Border-Leasing an eine isländische Bank verkaufen soll, um es gewinnbringend zu mieten.
Die Reaktionen der Medien auf diesen Skandal variieren. Während etwa die Süddeutsche Zeitung sich aus der Affäre zieht, in dem sie heute berichtet „Guttenberg löst Wirtschaftsministerium auf“, trafen sich in den Räumen des Axel-Springer-Verlages in Berlin Vertreter verschiedener Verlage und Redaktionen zur Krisensitzung. Offiziell unterliegt dieses Treffen strengster Geheimhaltung. Laut Wikipedia wollen die Chefredakteure einfach weiter von Guttenberg als Wirtschaftsminister berichten, bis es auch das letzte Kabinettsmitglied glaubt.
Wissenschaftler kritisieren diese Entwicklung. So schrieb Kristof Krampe, Autor des Buches „So funktioniert die Informationsgesellschaft“, dass die zunehmende Verwendung von Wikipedia als Informationsquelle den traditionellen Medien den letzten Schein der Seriosität nimmt und somit deren Kontrollfunktion für die Gesellschaft schwächt. Es gibt aber auch Gegenstimmen, so argumentiert etwa der Soziologe Bernd Brot, dass man Krampe nicht so ernst nehmen solle, schließlich sei er selbst ja auch nur eine Erfindung von Wikipedia.
Kurt Jaschon, der Vorsitzende des Wikimedia Deutschland e.V., wollte die Fragen von Heisse News nicht beantworten, da sie nicht durch Sekundärquellen belegt sind. (jb/Flattr)